Eigentlich wollte ich ja für einige Wochen bis Monate mit dem Rad durch Europa reisen. Was draus geworden ist: Hier kommts.
Tag -1, Montag, 25.07.2011
Eigentlich wollte ich heute losfahren, aber ich habe immer noch nicht alles zu Hause erledigt, mich bei allen verabschiedet etc… (und dann auch noch jemanden vergessen…)
Tag 0, Dienstag, 26.07.2011, Leubsdorf – Crimmitschau
Endlich gehts los. Alles gepackt, gut gefrühstückt, rauf aufs Flevo – und gleich wieder runter. Die Fuhre ist unhaltbar. Zu schwer, zu hoch der Schwerpunkt, zu wackelig der Gepäckträger. MIST! Also denk, grübel, such… alles auspacken, abspecken (nicht ich, das kommt später), neu packen. Sehr gut, 8kg und zwei Taschen gespart, macht etwa 18kg Gepäck incl. 3 Liter Wasser, aber ohne „Küche“ und ohne Wechselschuhe und und und. Egal, gegen 14 Uhr gings dann los.
Der erste Teil der Strecke ist mir ja gut bekannt, und es rollt sich ganz gut. An der ersten Tankstelle pumpe ich ordentlich Luft auf die Reifen, damit es noch besser rollt, was es dann auch tut. In Chemnitz gönne ich mir dann am Eiscafé Marschner eine ordentliche Abschiedsportion, bevor es weitergeht. Ich bin übrigens nicht nur an diesem Tag häufig vom Deutschlandradweg D4 (Mittellandroute) abgewichen, denn wer sich diese Strecke ausgedacht hat, gehört dazu verdonnert, sie mit einem Singlespeed- Starrbike und mindestens 30kg Gepäck fahren zu müssen. Aber dazu später mehr.
Gedankliche Abkürzung, es ist nicht viel aufregendes passiert, die Landschaft ist schön, das Wetter auch, die Hügel sind sanft, gut zu fahren. Als es daran geht, nach einem Nachtlager zu suchen, fahre ich erst in Richtung eines Zeltplatzes, aber dann ist es mir doch etwas zu früh, um schon anzuhalten. Etwas später komme ich auf der Höhe nach Mannigswalde an einem Museumsturm der Stadt Crimmitschau vorbei, der sich hervorragend eignet: Erdgeschoss Fahrradgarage, erstes Obergeschoss Schlafgemach. Herrlich.
92,53km – 4:42:19 – 19,66ø – 673hm
Tag 1, Mittwoch, 27.07.2011, Crimmitschau – Weimar
Wer um alles in der Welt besucht nach Mitternacht einen frei in der Landschaft (ok, an einer Straße) stehenden Turm? Egal, ansonsten war die Nacht angenehm. Der Tag verlief dann auch allgemein recht ereignislos, mit genauso schönem Wetter, guten Straßen, leichtem Gegenwind, schöner Landschaft, und einem in Thüringen sehr gut ausgeschildertem Radweg (Thüringer Städtekette).
Das Ereignis, das mich an dem Abend erwartete, tilgte ohnehin fast die Erinnerung an den Rest des Tages: Nahe Weimar, bei der Überquerung einer recht befahrenen Straße, ich stemme mich so richtig schön ein beim anfahren, halte ich plötzlich den Lenker in der Hand. Abgerissen, die Klemmung war nur mit zwei kurzen Schweißnähten befestigt, die den Zug nicht verkraftet haben. Smartphone sei Dank ist schnell ein Metallbauer gefunden, der Schweißer hat zwar gerade Urlaub, aber im Nachbarort Ulla gibt es einen Spezialschweißer, der kann auch meine dünnen Rohre…
Na gut, morgen früh, also ’ne Unterkunft finden. Die Jugendherberge am Poseckschen Garten liegt nahe, nach einem Anruf ist geklärt, dass auch noch Platz ist, sehr schön. Dass das für eine Nacht 28,50€ kostet, ist aber für ne JH doch recht ansehnlich. Aber es scheint sich zu lohnen, die Leute sind supernett, engagiert und Hilfsbereit, es ist sehr sauber und in Ordnung, das Frühstück geht auch über ein Mindestmaß hinaus, dazu die prominente Lage in der Kulturhochburg Weimar, also gut. Ich bleibe. Duschen, Stadtbummel mit kleinem Einkauf, dann Bett. Grunz.
107,95km – 6:14:44 – 17,28ø – 674hm
Tag 2, Donnerstag, 28.07.2011, Weimar – Eisenach
Gähn, schon um 6 raus?!? Egal, ich muss ja zum Metallbauer, und der wohnt 6km außerhalb. Obwohl ich eben früh aufstehe und alleine vor der offiziellen Zeit frühstücke, ist der Bus unerreichbar. Dass auch ein Zug in die Richtung fährt, muss man erstmal wissen. Fährt gerade los, als ich an dem Bahnhof vorbeilaufe…
Ebenso wissenswert wäre gewesen, dass ich mir die jeweils eine Stunde hin- und Rückweg hätte sparen können, weil der Schweißbetrieb gerade Betriebsurlaub hat. Uff. Also ruf‘ ich nochmal die Fa. Stahlbau Müller an, die mich gestern weiterverwiesen hatte, die Antwort sinngemäß: „Klar, komm vorbei, irgendwie kriegen wir das schon fest.“ Und: Der Herr sollte seinen Leuten mal etwas mehr zutrauen, so schnell und gut, wie das MSG- geschweißt war. Dazu war sogar noch ein Tröpfchen Lack für mich übrig, als Rostschutz. Mit Sitz an- und abbauen war ich innerhalb einer Stunde wieder draußen, und der Lack auch schon fast trocken. Also zurück zur JH. Dort schwatze ich einen anderen Radfahrer an, da ich erfahren habe, dass alle drei gestern angekommenen Radler kaputte Räder haben. Der Herr ist mit seiner Tochter unterwegs, ihm hatte die Schaltung Ärger gemacht, das Ende des Zuges war an der Nabe in die Kette gekommen. Der Radhändler hatte es fachmännisch gekürzt – zu kurz. Nun war die Nabenschaltung nicht mehr einstellbar. Ich hab‘ mal in meinem Werkzeug gekramt und einen meiner Vorrats- Schaltzüge eingebaut, eingestellt, klappt. Allerdings war an den Rädern noch mehr im Argen, das überstieg aber meine mobile Werkstatt.
Nun gut, die beiden konnten so weiterfahren (mit etwa 5mm lockerem Steuersatz am Rad der Tochter *schauder*), und ich bin auch gegen 11 endlich losgekommen. Der Weg ist weiterhin überwiegend gut, und auch Erfurt City gefällt, ist nur etwas voll, und mit voll beladenem Flevo deshalb kein Vergnügen. Schnell weiter.
Das heißt, lieber nicht so schnell. Denn der offizielle Radweg um Gotha ist mir nicht in guter Erinnerung. Wer um alles in der Welt ist denn auf die Idee gekommen, den Radweg mit loser Schlacke (hinter Wechmar) oder geschreddertem Asphalt (um Gotha) auszu“bessern“??? Jedenfalls habe ich mich – vorsorglich langsamer fahrend – mehrfach gemütlich auf die Seite gelegt, weil das Rad weggerutscht ist. Wer sich das ausgedacht hat, der sollte… hatten wir schon mal.
Irgendwann bessert sich die Lage, und so fahre ich gegen 18 Uhr in Eisenach ein. Ein gemütliches Zeltplätzchen am Waldrand ist auch schnell gefunden, so esse und ruhe ich recht früh. Denke ich. Als es dann gegen 9 etwas weiter hinter dem Zelt quiekt, bin ich putzmunter. So schnell habe ich noch nie alles gepackt. Als ich am Aufladen bin, raschelt es etwas näher, und ich sehe eine Gruppe Frischlinge eine Böschung runterrennen. Ein paar Tage später meinte dann einer, ich hätte ruhig bleiben können, ich hätte doch dann auch gegrunzt… nee danke. Schade, der Platz war sooo gut.
Bis ich wieder so ein schönes Fleckchen gefunden hatte, war es nach Mitternacht. Na danke.
Vor den Schweinen: 123,71km – 7:38:50 – 16,17ø – 721hm
Nach den Schweinen: 149,39km – 9:23:26 – 15,90ø – 856hm
Tag 3, Freitag, 29.07.2011, Eisenach – Bad Hersfeld
Der Rest der Nacht war dann trotz Buckeluntergrund recht erholsam. Da die Städtekette hier zu Ende ist, machte ich mir Sorgen um die weitere Beschilderung (teilweise berechtigt) und mich deshalb auf den Weg nach Downtown Eisenach. Aber die Info macht erst um 10 auf, es war kurz vor 8, da bin ich dann doch lieber weitergefahren. War auch etwas trübe und kühl am Morgen.
Kurz hinter Eisenach beginnt am Ufer der Werra der Rennsteig, ich habe mich aber trotzdem für meine geplante Route entschieden, da muss ich nicht rennen…
Im Laufe des Tages habe ich zwei historische Punkte passiert. Erstens: ich habe den Eisernen Vorhang passiert (ohne Probleme), und zwar standesgemäß in Herleshausen. Interessant. Aber der zweite Punkt wenig später war für den Augenblick interessanter: Mit Querung der Landesgrenze von Thüringen nach Hessen wechselte der Radweg von gutem Asphalt in üblicher Radwegebreite zu Sand-Stein in etwa 50cm Breite. Wie abgeschnitten. Toll. War zum Glück aber nur kurzfristig und durch ein Naturschutzgebiet.
Im weiteren Verlauf habe ich einen Bogen des Radwegs abgeschnitten bzw. gegen eine leider recht stark befahrene Straße eingetauscht. Dort an dem Berg, zwischen Heringen und Friedewald, bin ich fast abgestorben. Meine Dynamonabe scheint ein echtes Problem zu haben. Ich musste stellenweise sogar bergab mittreten, um nicht stehenzubleiben. Und der größte Teil der Strecke ging bergauf. Dafür ging es auf der anderen Seite nach Bad Hersfeld wieder schön runter, und so kam ich am frühen Nachmittag dort an. Der Radhändler konnte mir und meiner Nabe am Freitagnachmittag aber auch nicht mehr helfen. Also habe ich mir in der Stadt das bunte Treiben angesehen – es finden gerade Festspiele statt, und es war irgendwie sowieso alles auf den Beinen. Bunt, laut, munter, lebendig, schön. Die Stadt sowieso. In einer Buchhandlung habe ich dann auch noch eine Karte gefunden, die für meinen weiteren geplanten Weg passt, so dass ich mein Handy als Navi schonen kann (Akkulaufzeit!)
Irgendwann rolle ich dann aber doch noch ein Stück weiter. Kurz vor Kleba treffe ich ein Ehepaar (d.h., die beiden rüstigen Herrschaften hängen mich fast ab, sch… Elektroräder), die frage ich nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Auf dem Weg dorthin treffe ich eine weitere nette Frau, die mir gleich ihren (leicht verwilderten) Garten anbietet. Super, niedergedrücktes Gras bedeutet extra Polsterung. Heute schlafe ich also unweit einer stillgelegten Schreinerei, neben einer kleinen Schafherde, und in Hörweite der A7.
93,65km – 5:39:36 – 16,54ø – 508 hm.
Tag 4, Samstag, 30.07.2011, Bad Hersfeld – Marburg
Na prima, der heutige Wecker sind Regentropfen auf dem Zelt. Sonst hatte ich ja höchstens Kondenswasser innendrin, aber heute wars dann richtig nass. Hat aber nur kurz geschauert, dann konnte ich aufstehen und packen. Bis Kirchheim wars dann auch nicht weit, und dort gabs sowieso erstmal Frühstück. Dann weiter. Irgendwo um Oberaula geht der Radweg auf eine stillgelegte Bahnstrecke über, toll asphaltiert, echter Luxus. Auch wenns erstmal bergan geht, die Steigung ist bahntrassenentsprechend sehr milde. Wenns nicht so trübe wäre und gelegentlich nieseln würde, wäre das ein echtes Highlight. Aber auch so sehr erträglich. Wo der mit 420m höchste Punkt war, weiß ich leider nicht mehr, aber an die darauf folgende Abfahrt kann ich mich noch angenehm erinnern. Da es heute kühler war, hatte wohl auch die Nabe seltener Schwergangphasen. Scheint also ein echtes Temperaturproblem zu sein.
An Neukirchen gehts noch locker vorbei, doch kurz darauf bin ich in Schrecksbach, weg von der GPS- Route, aber auf dem beschilderten Radweg D4. Was solls, denk‘ ich mir, ich folge den Schildern. Aber welcher Held ist denn nun wieder bitte auf die Idee gekommen, mindestens 20km Umweg über Alsfeld zu beschildern?!? Der sollte doch… schon wieder. Grummel. Alsfeld mag noch so schön sein, der Weg dahin aus meiner Richtung auch, aber ein vollbeladenes Flevo macht auf nassem Pflaster genauso wenig spaß wie hinter Alsfeld in Hügelland auf Schotterpassagen. DAS WAR ‚N RADWEG, nee, wirklich. Nach einigen Zusatzkilometern bin ich dann in Willingshausen wieder auf der richtigen Spur. Weiterhin nach Neustadt und Stadtallendorf war aber die Strecke auch nur ne Schotterpiste durch den Wald, mit dem Mountainbike keine Herausforderung, mit der Liege und Gepäck aber schon. Dann, irgendwo um Kirchhain, wurde es doch wieder zivilisierter, und ich konnte noch ganz gut bis nach Marburg rollen, wo ich mir das Haus Sonneck als Tagesziel herausgesucht hatte. Vor etwa 19 Jahren hatte ich schon mal einige sehr schöne Tage mit meinen Eltern dort verbracht. Und inzwischen ist das Haus auch Bett&Bike- Zertifiziert. Und sogar abends um 9 unangemeldet noch offen, auch wenn das nicht die reguläre Anreisezeit sein sollte.
139,43km – 7:46:07 – 17,49ø – 778hm
Tag 5, Sonntag, 31.07.2011, Marburg – Freudenberg
Hach, was ist ein richtiges Bett doch bequem. Lecker Frühstück gabs natürlich auch noch, so lässt sichs leben. Udn weil heute Sonntag ist, bleibe ich auch noch zum Gottesdienst da. Der war übrigens auch noch sehr schön von einer gastierenden Jugendgruppe ausgestaltet. Das Mittagessen habe ich dann aber dankend abgelehnt, schließlich muss mein gekauftes Essen alle werden, und ich will auch endlich los. Die meiste Zeit heute folge ich dem Lahnradweg aufwärts, das geht zwar etwas im Zickzack, aber doch recht gemütlich, vorwärts. Bis auf die letzten paar Kilometer bis zur Quelle, die haben’s dann nämlich umso mehr in sich und tragen mühevoll zur heutigen Höhenmeterzahl bei. Dampfend wie ne Lok oben angekommen schwatze ich mit zwei MTBlern von dort, die kennen sich aus und schicken mich ’ne Abkürzung ins Siegtal (den „Promilleweg“, angeblich weil das der Heimweg von der Kneipe oben ist), wow, das war ne echte Schussfahrt. Ich glaube, das war die steilste Abfahrt bisher. Aber die Scheibenbremsen halten sehr gut, selbst an dem Berg haben zwei Finger gereicht zum bremsen.
Weiterhun folge ich nun dem Siegtalradweg, der schon von Anfang an eher Berg- und-Tal-Radweg hätte heißen müssen. Um Siegen rum schaue ich mich nach einer Schlafgelegenheit um und finde erstmal nix. An einer Ampel treffe ich einen MTBler, den frage ich mal. Ja, er kennt hier in Siegen auch keine gute Stelle, aber er wohnt nur 12km weit weg, und in seinem Garten wäre Platz. Dass dazwischen soooo ein Berg liegt, hatte ich aber nicht erwartet, und ich war doch schon so fertig vom Lahnquellgebiet…
Egal, auch das schaffe ich, und wenig später sitzen wir schwatzend im Garten an einem kleinen Feuerchen, und ich lerne Jörg und seine Familie etwas kennen. Wir entdecken einige Parallelen, aber irgendwie bin ich die meiste Zeit am erzählen. Klar, schließlich bin ich der mit der geplanten langen Reise.
104,66km – 6:08:40 – 17,03ø – 919hm
Tag 6, Montag, 01.08.2011, Freudenberg – Lauthausen
Mensch, bei den Leuten wäre ich doch gerne noch ein paar Tage geblieben. So offen soll mein Haus auch mal sein – wenn ich mal eins habe.
Aber ich will doch weiter, es soll ja ohnehin erstmal locker die Sieg abwärts gehen. Zuvor aber schnell noch in Betzdorf nach der Nabe schauen lassen. Nachdem ich die Fußgängerbrücke über die Sieg überwunden habe (Baustelle auf einer Seite, die Rampe war weggebaggert, nur ne Treppe als Abgang, mit vollem Gepäck…), lande ich erst in der „Tretmühle“, doch wir schaffen es nichtmal mit vereinten Kräften, den Konus der Nabe zu lösen, um den korrekten Sitz zu überprüfen. Zwischendurch ruft Jörg auf Verdacht im Bikeshop an, wir hätten ja nichtmal irgendwelche Kontaktdaten ausgetauscht, aber er weiß nicht, dass ich ne Visitenkarte zurückgelassen habe. Nahc einem Telefonat mit Shimano meint er dann, es müsse wohl am Einbau im 20″- Rad liegen. Gut möglich, aber beim DH-3N30 war das nicht so wie jetzt beim HB-NX70. Nützt nix, weiterfahren. Ich habe gerade alles wieder gepackt, da spricht mich jemand mit nem MTB an, man hätte bei ihm angerufen und nach mir gefragt… Der junge Mann ist von „Bicycles&more“, fast gleich gegenüber, ein Radgeschäft, über das ich gestern Abend mit Jörg gesprochen hatte. Und der hatte offenbar erst dort angerufen.
Ich folge ihm zu dem geschäft, wir recherchieren erneut, auch über Austauschmöglichkeiten, und ein weiterer Anruf bei Shimano stellt klar: Shimano hat keine speziellen Nabendynamos für kleine Räder, das hat nur SON. Und: So eine Schwergängigkeit ist ein Garantiefall. Nur spontan kann man mir auch nicht helfen, sehr zum beiderseitigen Bedauern. Also empfehlen sie mir, noch dazu, da das Wetter die nächsten Tage schön sein soll, weiterzufahren. Was ich dann auch kurzerhand tue.
Es rollt sich recht angenehm im Siegtal, nur leider nicht durchgehend. Zwischendurch schießen immer ein paar kurze Anstiege quer, die nach den gestrigen Strapazen ziemlich in die Beine gehen. Die letzte Hürde für den Tag schießt dann aber echt den Vogel ab: Vor Oberauel passiert der offizielle Radweg eine derart verblockte Stelle, dass ein Mountainbiker seine helle Freude daran gehabt hätte. Eigentlich hätte ich dort mein Rad abladen und tragen müssen. So habe ichs aber mit Gewalt drübergewuchtet. Nicht auszudenken, wenn eine Familie beschlossen hätte, den Radweg zu fahren. Man hätte dort Kinder UND Räder drübertragen müssen, und ne ängstliche Frau vielleicht auch noch?
Wer das ausgeschildert hat, sollte doch… hatten wir schon. Mehrfach.
Die Stelle hat eindeutig die letzten Kräfte für heute gekostet (und noch mehr, aber dazu später), in Lauthausen, dem nächsten Ort, gibt es einen Zeltplatz, der mich noch aufnimmt, den steuere ich an. Puh, geschafft.
99,05km – 6:11:35 – 15,99ø – 574hm
Tag 7, Dienstag, 02.08.2011, Lauthausen – Köln
Nach den beiden letzten tagen wäre heute eigentlich der ideale Tag zu echt entspannten dahingleiten gewesen. Die Höhenmeter sprechen ja auch dafür. Nur leider scheint der gestrige Tag unangenehme Erinnerungen geweckt zu haben an meinen Sturz letztes Jahr. In meinem rechten Knie. Deshalb habe ich mir nach einigen lockeren dahinrollen in Siegburg erstmal das Krankenhaus gesucht, und den Orthopäden draufschauen und -drücken lassen. Er tippt auf ne Sehnenreizung, hat mir nen dicken Voltarenverband verpassen lassen (der tut echt gut), und wenns nicht besser wird, dann abbruch und nach Hause, untersuchen lassen. Na hoffenltlich…
Somit habe ich auch meine Pläne geändert, die Tagestour verkürzt, und bin auf den Campingplatz nach Köln abgebogen. Dort kann ich mehrere Sachen miteinander verbinden: mich etwas ausruhen, mir Köln anschauen, einen Regentag aussitzen…
Nette Gesellschaft habe ich in jedem Fall schonmal, ich bin schon mit einem netten Herrn aus den USA (Oregon) ins Gespräch gekommen, der Mitteleuropa mit einem Liegetrike bereist, und auch ein paar freundliche Engländer habe ich schon getroffen.
77,34km – 4:27:20 – 17,35ø – 176hm
Tag 8, Mittwoch, 03.08.2011, Köln
Ruhetag. Wie gestern schon geschrieben, habe ich mir Köln angeschaut. Das Zelt bleibt auf dem Zeltplatz, Gepäck drin, mit dem leeren Rad fahre ich bis in die Stadt. So kann ich es auch mal abgeschlossen wo stehen lassen. Laufen geht ja ohne Beschwerden.
Also bin ich heute mal Tourist, schaue mit die Stadt an, den Dom, den Rhein, was weiß ich, was noch alles, Köln ist groß… Beim Schlendern durch die Shoppingmeile entdecke ich den Globetrotter Shop, den sollte man als Interessierter gesehen haben. Ist gar nicht zu beschreiben. Paddelpool im Keller, Kältekammer zum Klamotten testen, usw. Den Vogel anbgeschossen hat aber die Kolonie Blattschneide- Ameisen im durchsichtigen Terrarium. Genial.
Am späteren Nachmittag gehe ich noch auf Futtersuche, mache ein Vorabendnickerchen, und der Tag ist rum.
18,34km – 1:20:20 – 13,70ø – 60hm
Tag 9, Donnerstag, 04.08.2011, Köln – Merzenich
Endlich gehts weiter. Der Berg ruft, oder so ähnlich. Also packen, Zeltplatz bezahlen, zurück nach Bonn, wieder am Rhein entlang. Von dort aus folge ich aber trotzdem nicht der vorgegebenen Route des D4, der will mich nämlich landschaftlich sehr schön, aber unnötig bergig durch die Eifel lotsen. Ich steuere stattdessen von Bonn aus Bornheim an, dann Weilerswist. Im übrigen auch eine sehr schöne Gegend. Weiter gehts über Erftstadt und Nörvenich. Gelegentlich habe ich zwar leichte Orientierungsprobleme, aber ich erwische doch immer wieder eine geeignete Abzweigung. Um Düren fange ich an, über eine Übernachtungsmöglichkeit nachzudenken. Während ich so einige Leuten bei der Akkord- Getreideernte und Strohballenpressen und -einfahren beobachte, überholt mich ein Liegeradfahrer. Den sprech‘ ich doch gleich mal an. Das angebotene Gästezimmer lehne ich dankend ab, aber den Platz im Garten für das Zelt akzeptiere ich doch gerne, ebenso wie die warme Dusche. Am Abend sitzen wir gemütlich zusammen auf der Terrasse, schwatzen bis in die Nacht. Hier ist es auch sehr gemütlich!
Nur eins sollte ich mir dringend merken: Wenn es anfängt zu regnen, immer BEIDE Zelteingänge verschließen. Allerdings unglaublich, dass sogar der nasse Aldi- Schlafsack noch wärmt!
98,61km – 5:39:11 – 17,44ø – 379hm
Tag 10,Freitag, 04.08.2011, Merzenich – Aachen
Au weia, das fängt ja gut an. Jetzt schmerzt das Knie schon früh beim aufstehen. Mist, gar nicht gut. Und das trotz Ruhetag, Salbe und auch die letzte Tagestour war nicht so abgehoben…
Naja, erstmal Frühstück, packen, Abschied. Jetzt haben wir aber gleich Karten ausgetauscht, Michael hat mir auch seine gegeben.
Die heutige Reiseroute steht schon halbwegs fest, bis Aachen in jedem Fall, aber auf dem Weg gibt es boch einiges zu sehen. Düren umfahre ich zwar, dafür wefe ich einen Blick vom Aussichtspunkt in den Tagebau Inden, das sieht schon sehr beeindruckend aus. Mächtig gewaltig.
Über Eschweiler und Stolberg rolle ich dann endlich nach Aachen ein. Da ich aber wegen meinem Knie schon die Anstiege immer schieben musste, führt mich mein erster Weg in Aachen in die Uniklinik. Dort verrenkt man mein Knie in alle Richtungen, tut das weh, und wenn ich hier drücke, und die Bewegung, usw. Der Arzt tippt von der Lage und der Bewegungseinschränkung her auf irgendwas am Innenmeniskus, meine Salbe dafür ist schon ok, es gibt aber noch ein Schmerzmittel verschrieben, für alle Fälle (hab‘ ich bis heute noch nichtmal gekauft…), aber ich kenne ja mein Knie halbwegs, und laufen geht immernoch bedeutend besser als Radfahren. Die Prognose: Mindestens eine Woche Ruhe, und ob ich dann dauerhaft weiterfahren kann… also die Alternative, Abbruch, heim, Arzt, MRT, dann mal sehen.
Der nächste Weg führt dann zum Bahnhof. Hätte ich gewusst, wie nahe ich dem war, wäre ich trotz der Schmerzen erst noch ins Dreiländereck gefahren, nur um kurz ins Ausland zu hüpfen… schade.
So habe ich mir also ein Ticket für die Heimfahrt geholt. Der nächste sinnvolle Zug fährt 2:53 Uhr ab Aachen Hauptbahnhof, na toll. Immerhin günstig mit dem Wohenendticket, aber sieben Mal (7x!!!) Umsteigen, davon fünf Mal mit nur 5 bis 10 Minuten Zeit, mit Gepäck und Fahrrad, am radverkehrsträchtigen Wochenende… naja. Ich habs jedenfalls geschafft. Aber das kommt später.
Ich nehme mir erstmal ein Gepäckschließfach für den ganzen Krempel, dann kommt das Fahrrad an den Ständer vor dem Bahnhof (sehr vertrauenserweckend, dort liegt ein durchgekniffenes Schloss, das bedeutend stärker war, als meins…), und ich schaue mir Aaachen City an. Sehr schön, besonders die Kirchen und deren Nebengebäude.
Ich esse noch was, dann mache ich noch einen kleinen Bummel, aber dann zieht es mich doch in die Nähe meines Rades, das will ich jetzt nicht noch verlieren. Ich mache es mir gegenüber des Bahnhofs auf einer Bank bequem und beobachte die Leute. Als es kühler wird, suche ich mir ein Warteplätzchen im Bahnhof, was sich einfach mangels Platz als nicht ganz so einfach erweist. aber je später, desto mehr Platz wird.
Irgendwann trifft dann eine Familie mit voll bepackten Reiserädern ein, die spreche ich mal an. Sie fahren auch mit meinem Zug ein ganzes Stück in meine Richtung, und so verquatschen wir einiges von der Wartezeit bis halb drei. Ich hole mein Gepäck, und wir machen es uns im Zug bequem. Immer so 1 ¼ Stunden bis zum nächsten Halt sind blöd zum schlafen, aber von Kassel nach Halle sinds 3 Stunden, da kann ich etwa 2 davon schlafen. Unterwegs steigt noch eine Reisegruppe mit Rädern zu, die bis an die Elbe und auf deren Radweg will. Auch mit denen unterhalte ich mich angeregt. Mein Rad fällt ja ohnehin immer auf, und da ergibt sich immer ein Gespräch. Irgendwann in Leipzig trennen sich usere Wege, und die letzten beiden Züge nehme ich zwar nicht allein, aber ohne weitere interessante Begegnungen. In Hohenfichte steige ich aus, überquere den letzten Berg, und treffe bei meiner Schwester pünktlich zum Kaffee ein. Die schauen nicht schlecht, aber auch hier ist immer ein Plätzchen frei für mich. Dann lege ich noch die letzten paar Meter nach Hause zurück. So, das wars. Bis dahin ganz schön, streckenweise anstrengend, und nun das Ende halt wirklich sch…
The longest day: Die Daten sind für beide Tage.
ca. 63km – 5:12:05 – 13,03ø – 554 hm